Joe Laschet
„Jünger, moderner, diverser, cooler!“
Wir treffen Joe Laschet im Berliner Wedding, Stadtflucht heißen die schmucken und stylischen Mietlofts in einem ehemaligen Fabrikgebäude. Gleich geht es zu einem exklusiven Whisky-Event ein paar Hinterhof-Eingänge weiter, vorher unterhalten wir uns über sein erstes Buch „Gentleman Bold: Ein Traum von Mode, Stil und Höflichkeit“. Joe, dem bei Instagram über 101.000 Menschen folgen, ist eine Instanz in Sachen Mode und Style und insofern lag es eigentlich nahe, dass genau er ein Buch darüber schreibt. Seit einer gemeinsamen Pressereise durch Schottland vor ein paar Jahren duzen sich Interviewer und Interviewter.
Joe, du hast ein Buch geschrieben. Warum?
Im Endeffekt ist daran mein Verleger Peter Feierabend schuld, wenn man so will. Ich glaube, 2019 kam er auf mich zu.
Du meinst Peter Feierabend, der auch das Buch „Der Gentleman“ von Bernhard Roetzel verlegt hat?
Genau, das muss 1999 gewesen sein, ein ganz, ganz großes Buch, wie ich finde. Es wird auch heute noch viel verkauft und ist ein Klassiker unter den Gentleman-Büchern. Und Peter Feierabend kam dann irgendwann auf mich zu und hat gefragt, ob ich gerne mal sowas ähnliches machen will — aber in jünger, moderner, diverser, cooler.
Also die klassischere Mode mal ganz neu darzustellen.
Genau. Und da habe ich natürlich dann direkt ja gesagt, weil ich das Projekt und die Idee superspannend fand – obwohl ich eigentlich dachte, dass ich das mache, wenn ich 40 oder 50 bin, also schon einiges mehr gemacht hast. Und dann haben wir in den letzten zwei Jahren da sehr intensiv dran gearbeitet und es wurde ein sehr anspruchsvolles, aber sehr cooles und spannendes Projekt.
Gentleman Bold: „Lust auf Krawatte und Anzug machen“
Der Unterschied zu Bernhard Roetzels „Gentleman“ geht es bei „Gentleman Bold“ ja aber nicht nur um das klassische Outfit, sondern um wesentlich mehr, oder?
Richtig, mein Buch ist kein reines Sachbuch. Ich habe mir überlegt, wie ich die klassische Herrenmode, also diesen ganzen Gentleman-Lifestyle wieder nahbarer für Menschen machen kann. Ich wollte und will den Männern wieder Lust auf den Anzug und Lust auf die Krawatte machen – und deswegen habe ich viel über meine eigenen Erfahrungen in diesem Bereich geschrieben. Es gibt Kapitel über den Anzug, über Schuhe, Krawatten und Hemden.
Aber ist darüber nicht schon immer rauf und runter geschrieben worden? Nicht nur bei Bernhard Roetzel?
Ja, das mag sein. Natürlich werden in „Gentleman Bold“ auch die Basics, wie beispielsweise Dresscodes, erklärt, aber ganz wichtig war mir vor allem, wieder den Spaß für diese Art von Mode für die Leser des Buchs zu schaffen.
Stichwort Dresscodes: Gibt es die noch?
Nein, wenn wir ehrlich sind, gibt es die im Berufsalltag nicht mehr. Selbst in den DAX-Konzernen oder konservativen Rechtsanwaltskanzleien trägst du keinen Anzug oder Krawatte mehr.
Selbst Bundesminister tun das nicht mehr.
Genau., Bundesminister tragen das teilweise auch nicht mehr.
Gentleman Bold: „Die letzten 30 Jahre in furchtbare Anzüge gequetscht!“
Woran liegt das, Deiner Meinung nach?
Ich bin der festen Überzeugung, dass das nicht so sehr am casual-Zeitgeist liegt, sondern vor allem daran, dass Männer sich über die letzten 30 Jahre in furchtbare Anzüge reingequetscht haben, die schlechte Qualität hatten und dazu noch unbequem waren.
Was vielleicht auch daran liegt, dass die meisten Herrenausstatter und Maßschneider auch nicht mehr da sind.
Ja, das ist sicher auch ein Grund. Deswegen wollte die klassische Herrenmode wirklich weg von allen Konventionen und Regeln nochmal neu darstellen und wieder Spaß am Anzug machen.
Also geht es in Deinem Buch schon um die klassische Mode und nicht um Jogginghosen und Sneaker.
Nein, um Gottes Willen, es bleibt wirklich klassisch. Es geht um den klassischen Anzug als Basiselement der Garderobe und alles, was dazu gehört. Aber wo Du die Jogginghose erwähnst: Es gibt natürlich auch einen kleinen Text, wo ich beschreibe, wie man auch stilvoll zu Hause gekleidet rumlaufen kann.
Gentleman Bold: „Jungen Leuten wieder Bock auf Anzug machen!“
Ein Plädoyer für die klassische Mode also?
Ja, so kann man das sagen. Und ich erkläre auch, dass diese Mode nicht unbedingt nur für Leute ist, die viel Geld verdienen oder in einem Job arbeiten, wo man sich so kleiden muss. Meine Message ist: Der Anzug gehört wieder auf die Straße! Ich möchte, dass junge Menschen sich wieder wohlfühlen in diesem Look.
Ist das nicht ein Kampf gegen Windmühlen? So, wie die Jugend sich heute kleidet, und das meine ich überhaupt nicht despektierlich, ist das gefühlt ein halbes Lichtjahr von Anzug, Hemd und auch Krawatte entfernt.
Ja und vielleicht gehe ich da auch sehr idealistisch an das Ganze dran, aber auf meinen Reisen, auch durch Italien oder durch England, habe ich so viele gut gekleidete junge Leute gesehen, die wirklich den Anzug als etwas Besonderes tragen. Die sind auch tätowiert, die sind auch cool, aber die sind wirklich weit davon entfernt, T-Shirt und Jeans zu tragen. Die haben wieder Bock auf Anzug und Krawatte. Und ich glaube fest daran, dass wenn es den Leuten, jung oder alt, wieder erklärt wird, wie man einen Anzug richtig trägt, wo man einen Anzug am besten kauft, worauf man achten soll, welche Stoffe man für welchen Anlass nimmt, dass dann die Leute auch wieder Lust darauf kriegen.
Das klingt sehr idealistisch.
Mag sein, aber da habe ich auch nichts gegen. Ich habe ein gutes Beispiel aus meinem Buch. Wir haben in einem Kapitel den Sohn unseres Verlegers, der auch eigentlich immer nur Hoodies und T-Shirts und Jeans trägt, zu einem Maßschneider nach Berlin mitgenommen. Und dort hat er dann seinen ersten Maßanzug bekommen. Und seitdem nicht mehr ausgezogen. Als er das zum ersten Mal anhatte, konnte er gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Und jetzt zieht er sich immer nur so an. Und deswegen hast Du wahrscheinlich Recht, wenn Du es einen Kampf gegen Windmühlen nennst, aber ich bin überzeugt, dass ich den Kampf gewinnen kann.
Aber es geht in Deinem Buch ja nicht nur um Mode, sondern auch um andere begleitende schöne Dinge.
Ja, das stimmt. Es geht natürlich primär um Mode, aber wir haben auch ein Kapitel, in dem es um Genuss geht, weil Genuss aus meiner Sicht auch zur Gentleman-Welt gehört.
Worum genau geht es bei Genuss?
Zum Beispiel, wie man richtig Whisky trinkt. Aber wir haben auch ein cooles Kapitel über die Zigarre. Dafür habe ich mich mit Ralf Möller in Düsseldorf getroffen und wir haben zusammen eine Zigarre geraucht. Es gibt ein Kapitel über die Pfeife, was auch viele denken heutzutage.
Tatsächlich? Gibt es noch Menschen, die Pfeife rauchen?
Allerdings. Man kann sagen: Die Pfeife erlebt ein Riesencomeback.
Wieder was gelernt. Was darf man noch von Deinem Buch erwarten?
Es gibt ganz viele verschiedene Anekdoten von Prominenten oder von Menschen, die auf einem gewissen Gebiet eine Expertise haben. Wir haben einen Gastbeitrag von einem, der in Berlin Schleifen produziert. Jan-Henrik Maria Scheper-Stuke …
… dem Geschäftsführer des Auerbach.
Genau der. Wir haben einen schönen Beitrag von dem Trompeter Till Brönner, der was über die Krawatte und das Hemd geschrieben hat. Wir haben einen kleinen Beitrag von Jan Hofer, der auch eine nette, schöne Story erzählt über die Krawatte und warum er sie beim letzten Mal nach seiner letzten Sendung abgelegt hat, aber dass das nur symbolisch war.
Das sind alles sehr bekannte Leute.
Ja, ich bin darüber auch sehr glücklich. Henning Krautmacher von den Höhner hat einen Artikel über seinen Schnauzer geschrieben.
Das wollte ich fragen: Bartpflege darf ja nicht fehlen.
Genau, dafür haben wir auch ein eigenes Kapitel, da geht es um die Barber-Kultur, die Friseure. Und von daher geht es in dem Buch nicht nur um Mode, sondern auch um viele andere Aspekte, die alle zu einem Gentleman dazugehören.
Gentleman Bold: „Ein sehr emotionales Buch“
Das ist in der Tat ein ganz anderer Ansatz als das Buch des hochverehrten Kollegen Roetzel.
Ja, absolut. Das Buch, das ich geschrieben habe, ist weniger ein Sachbuch, sondern es hat auch viele persönliche Meinungen mit dabei. Dadurch ist es auch ein sehr emotionales Buch geworden. Und man kann das Buch auch lesen, wenn man nicht unbedingt ein großer Anzug-Fan ist. Dann kann man das Kapitel zur Barber-Kultur oder über die Zigarre oder über den Wein lesen.
Es scheint für jeden etwas dabei zu sein.
Ja. Das war unsere Idee: Style Guide, Sachtexte, emotionale Texte, eigene Erfahrungsberichte. Und das macht das Buch, glaube ich, ganz cool.
Nun kennen Dich die Leute ja, weil du auf Social Media sehr aktiv bist. Und ein Buch zu schreiben ist ein klassischer Medienbruch. Wie ist Deine Erfahrung? Bist du jetzt leidenschaftlicher Schriftsteller geworden? Oder denkst du eher, das war okay, aber auf Dauer ist da nichts für mich.
Leidenschaftlicher Schriftsteller bin ich ganz sicher nicht geworden, weil das ja ein Handwerk ist, das man lernen und beherrschen muss. Ich kann hier und da ganz gut schreiben, manchmal kommen auch echt tolle Texte raus, aber manchmal habe ich auch stundenlang an Kleinsttexten gesessen und am nächsten Tag gedacht, oh Gott, was für ein Mist, was du da geschrieben hast. Um es kurz zu machen: Ich bin jetzt nicht der geborene Schriftsteller. Das Projekt hat jetzt sehr viel Spaß gemacht, aber ich werde jetzt nicht auf Dauer die Seiten wechseln.
Gentleman Bold: Ein Traum von Mode, Stil und Höflichkeit von Joe Laschet; Berg & Feierabend Verlag; 232 Seiten, 49,99 Euro