Loire Radweg: Radeln, tafeln & Chȃteaux satt
Eine Radtour mit Freunden sollte es werden, eine mehrtägige Exkursion irgendwo in Europa. Wir stellten uns vor: Genussvolles Fahren in abwechslungsreicher Natur und reizvolle Unterkünfte, exquisite Kost und am Abend feine Weine. Spannende Sehenswürdigkeiten könnten uns obendrein beglücken und am liebsten Sonnenschein, der auch noch im Herbst Leib und Seele erwärmt. Grundsätzliche Voraussetzung: Möglichkeit zur E-Bike-Miete und Gepäcktransport sowie vom Autoverkehr abgeschirmte Radwege. Nun ja, denkt man, so schwierig kann die Umsetzung nicht sein. War sie aber doch, weil es in attraktiven Radl-Regionen häufig an dem einen oder anderen auf unserem Wunschzettel hapert. Und dann floss gewissermaßen die Loire durch den Kopf.
Die Loire: Strom des Lichtes, süßen glücklichen Lebens
„Die Loire, Strom des Lichtes, süßen, glücklichen Lebens. Wo findet man, außer in diesen Gegenden, solche beruhigende, stärkende Gleichmäßigkeit von Luft und Licht“, schrieb einst Auguste Rodin. Das klang schon mal verlockend. Vor dem geistigen Auge bauten sich dazu märchenhafte Schlösser und pittoreske Städtchen auf. Die Recherche ergab, dass sich an Fluss und im Hinterland ein ausgeschildertes Radwegenetz von weit mehr als 1000 Kilometern erstreckt. E-Bike-Vermietung wird vor Ort angeboten, ebenfalls Gepäcktransport von einem Hotel zum nächsten. Auf Website „Loire à velo“ findet man alles. Das Tourenprogramm muss man selbst stricken, Unterkünfte und Restaurants direkt reservieren. Provisionen, die Agenturen oder Buchungsplattformen für ihre Dienste verlangen, wollten wir am Ende des Tages lieber in edle Tropfen versenken. Denn das Terroir von Sancerre, Vouvray, Muscadet und Samur- Campigny dehnt sich entlang der Loire.
Kreative Hausmannskost mit modernem Touch
Als Ausgangsort der 6-tägigen Tour wählen wir Tours. Die Universitätsstadt ist vom Pariser Airport Charles-de-Gaulles mit dem TGV erreichbar. Und das schmucke Hotel „L‘ Univers“ liegt gleich um die Ecke von E-Bike-Rental „Détours de Loire“. Kaum aufgesessen staunen wir wie sich das historische Zentrum auf Radler eingeschossen hat. Zum einen begeistert die perfekte Ausschilderung, zum anderen freut man sich über die Vorfahrt, die Autofahrer mit Lächeln gewähren. Fürs Dinner haben wir im „La Deuvalière“ gebucht. Ein erster Treffer. Die Küche zaubert kreative Hausmannskost mit modernem Touch.
Chȃteau de la Bourdaisière: Walhalla für Blumenfreude
Einschließlich Abstecher misst die Strecke von Tours bis zum ersten Etappenziel in Amboise etwa 45 Kilometer. Der Radweg begleitet die Loire eine Weile, dann schlenkert er ins Grün der Auen und mäandert durch lauschigen Wald. Vogelgezwitscher sorgt für den musikalischen Rahmen. In Montlouis-sur-Loire biegen wir zum Renaissance-Schlösschen Chȃteau de la Bourdaisière ab. Ein Walhalla für Blumenfreunde und Tomatenfreaks. Knapp 800 alte Sorten werden angebaut. Frisch vom Strauch landen die roten Paradeiser in der Lunchküche von „Bar à Tomates“. Weiter geht‘s über Le Cormier auf die „Route de Volagre“ mit herrlicher Weinreben-Szenerie zu beiden Seiten. Am Ende rückt hoch auf dem Felsen Chȃteau Royal d’Amboise ins Blickfeld. Im malerischen Städtchen wurde ein Herrenhaus aus dem 17.Jahrhundert zum reizvollen Hotel „Clos d‘ Amboise“ mit Park und Pool umfunktioniert. Im Zentrum verführt „Chez Bruno“ seine Gäste mit Spezialitäten von Geflügel. Zudem lockt Deli „Galland“, ein Proviantversorger allererster Güte, mit Rillettes, Patés und allerlei Käsesorten aus regionalen Manufakturen im Angebot. In Amboise versteckt sich zudem ein spannendes Museum – Clos Lucé. Dort verbrachte Leonardo da Vinci die letzten Lebensjahre. Größter Wow-Faktor: Ornithopter und Luftschraube, eindeutige Beweise, dass der Renaissance-Meister dem Traum vom Fliegen ziemlich nahekam.
Das Schlosshotel „Chȃteau de Pray“ verzaubert mit Loire-Blick
Ein Muss ist der Märchenpalast Chenonceaux. Das imposante Bauwerk, einst Lieblingsresidenz von Katharina di Medici, thront auf einer Bogenbrücke über Flüsschen Le Cher. Ein herrlicher Platz, um am Ufer unseren Proviant zu schnabulieren. Etwa 20 einsame Kilometer weiter durch Wald und Flur und wir landen in Chargé. Schlosshotel „Chȃteau de Pray“ mit Blick auf die Loire verzaubert und auch die Speisen in seinem Sternerestaurant beglücken Augen – und Gaumen.
Internationales Gartenfest im Schlosspark
Highlight am folgenden Tag ist Chȃteau de Chaumont. Auf dem Radweg dorthin durchs Hinterland geht uns im Angesicht der Rebenlandschaft schon vorher das Herz auf. Im Schlosspark findet übers Sommerhalbjahr das Internationale Gartenfestival statt. Das sind zigtausend Quadratmeter Flora und Modern Art. Doch besser man verweilt nicht allzu lang auf diesem gloriosen Terrain, denn die Fahrt über Candé-sur-Bevrons und Route de Seur nach Celletes dauert noch etwa drei Stunden. Dort kehren wir im „Chȃteau de la Rozelle“ ein. Kein Luxus, doch romantisch und mit französischer Hausmannkost zum Dinner perfekt für eine Nacht.
Winzige Weiler säumen die Dorfstraßen zum Chȃteau de Cheverny. Es ist das einzige Loire-Schloss, das seit 600 Jahren von derselben Familie bewohnt wird und mit prunkvoller Originalausstattung glänzt. Das Anwesen ist eine Hochburg der Hetzjagd. Nicht jedermanns Sache. Im historischen Hundezwinger allerdings maulen die dreifarbigen Foxhounds nur, wenn sie zwischen ihren 100 Artgenossen keinen kuscheligen Schlafplatz finden. Fans von Tim und Struppi, in Frankreich als Tintin & Milou bekannt, dürften überrascht sein, dass sich hier das weltweit einzige Museum zu diesem Comic Sujet versteckt.
Chȃteau Chambord: größtes royales Bauwerk im Loire-Tal
Auf schmalen Landstraßen über Bracieux tauchen wir in den dunklen Wald des Forêt Domaniale de Boulogne. Unvermittelt recken sich verspielte Türmchen über die Baumkronen: Chȃteau Chambord – größtes und berühmtestes royales Bauwerk im Tal der Loire. Im 16. Jahrhundert unter König Francois I. gebaut, im 17. von Louis XIV. als Location für opulente Feste geliebt. Das heutige Interieur, der Plünderung während der Französischen Revolution geschuldet, entpuppt sich als ein bisschen enttäuschend. Bis auf die doppelte Wendeltreppe aus Marmor, ein kühner Entwurf von Leonardo da Vinci. Anstatt langatmiger Besichtigung inmitten von Touristenscharen lockt im Village Wein- Dégustation und Foie gras. Am Ende des Tages empfängt uns die familiäre Feudalherberge „Manoir Bel Air“ in Saint-Dyé. Wer erinnert sich noch an den Film „La grand bouffe“? Darin ging es um Völlerei. Nicht ganz so heftig, doch fast bis zum Platzen, erleben wir im Rahmen weißgedeckter Tische, Tafelsilber und Kerzenschein traditionelle französische Haute Cuisine.
Zum Abschied noch mal schlemmen
Die Kalorien strampeln wir uns entlang der Loire wieder ab. Das Stadtschloss in Blois ist als letztes Château unserer Reise angesagt, als wunderbarer Kontrast dazu die schräge Fluxus Art in der Fondation de Doute. Zum Abschied heißt es nochmal schlemmen. Allein beim Duft im urigen „Coté Loire Auberge Ligerienne“ läuft das Wasser im Mund zusammen. Gekocht wird nach Rezepten von Großmuttern. Zum Reinlegen delikat. Schweren Herzens tauschen wir anschließend bei Détours de Loire die E-Bikes gegen unsere Koffer, laufen die 150 Meter zum Bahnhof und rollen im Zug nach Paris. „Au revoirs, du glorreiche Loire.
Fremdenverkehrsamt: www.loiretal-frankreich.de
Loire à velo: www.loire-radweg.org
E-Bike-Rental und Gepäcktransport: www.detoursdeloire.com