Die Whisky Kolumne, Nr. 2

Whisky und Sommer? Wie soll das nur gut gehen?

Ich bin gerade aus dem Urlaub zurück. Gut zweieinhalb Wochen. Am Mittelmeer. Auf einer Insel, die ich fast noch mehr liebe als Schottland. Und die ich nach über 30 Jahren inniger Beziehung bald bis in jede Falte hinein kenne. Jedenfalls meinte ich das. Ich gönne mir diese Zeit im Süden der Seele und im Frühsommer des Jahres längst auch deswegen, weil ich wenigsten für eine kurze Zeit mal nicht über Whisky bzw. 

Die Whisky Kolumne, Nr. 2 Whisky und Sommer? Wie soll das nur gut gehen?
Whiskey reden möchte. Selbst dran denken will ich dann nicht. Es muss auch mal gut sein! Stattdessen versuche ich möglichst 24 Stunden am Tag nur draußen zu sein, bestenfalls mit einer Zeltwand zwischen mir und dem Rest der Welt, um derart so gut wie alles an Aromen und Gerüchen, an Sprache und Leben, Kultur und Genüsse, und nicht zuletzt an Meer, Strand, Bergen und Natur in mich aufzusaugen. Mein Nase ist dann wie ein Staubsauger. Ich kann gar nicht genug davon kriegen.

Manchmal ist Whisky nicht die Mama aller begehrten Genüsse

Oh, ich höre bereits den Aufschrei. Na, das ist mir ein rechter Experte! Bekennt offen, dass es Zeiten gibt, in denen er schlicht nix vom Whisky wissen will. Das gibt doch eher zu denken! Oder?! Nun. Darf ich frei raus sprechen? Im Grunde wollte ich mit dieser Wendung nur den Spieß umdrehen. Schlicht zeigen, dass es genauso Zeiten und Umstände gibt, in denen der Whisky nun mal nicht die Mama aller begehrten Genüsse ist. Ich hatte Sie ja beim ersten Mal eingeladen, wenigstens im Geiste mit mir Platz zu nehmen in einem schönen, dicken Chesterfield, um sich so in die großartige Welt des Whiskys bzw. Whiskeys hineinzuräkeln und strecken. Aber nun mal Hand aufs Herz! Im Sommer?! Auch dann noch mit einem lodernden Feuer im Kamin? Bitte nicht! Müssen wir uns also eher in andere Szenen oder Welten hineindenken, um der Liebe zum Whisky auch zur Mittsommerwende eine Chance zu geben?

Mit oder strikt ohne Eis? Daran scheiden sich hierzulande die Geister

Im Jahre 2010 habe ich knapp dreieinhalb Wochen lang mehr oder weniger die wichtigsten US-Whisky-Brennereien besucht. Zusammen mit einem britischen Fotografen, mit täglichen Berichten in einem Blog, nachzulesen hier. Ich erinnere mich noch genau an unser Ankommen damals am 5. April gegen Abend in Louisville, KY. Das Thermometer zeigte 79° Fahrenheit an, etwa 27° unserer Celsiusrechnung. Zwei Tage später sitzen wir bei nahezu gleichen Temperaturen mit dem Master Distiller von Maker’s Mark zusammen, und natürlich geht es auch darum, wie man Whiskey – in den USA wie in Irland traditionell mit dem langen e geschrieben statt ohne wie in Schottland – richtig genießt. Ich wäre kein beflissener, guter, deutscher Whiskyautor gewesen, wäre so nicht diese Frage von mir gestellt worden: Mit oder strikt ohne Eis? Daran scheiden sich in unserem Land nun mal die Geister, bis hin zum Köppe einschlagen. Tja, und nun saßen wir zwei Mitteleuropäer da, gut erzogen und mithin in voller Besuchsmontur, und alles in uns schrie nach viel Kohlensäure und jede Menge Eiswürfel. Insofern, ein für alle Male betone ich hier: Das geht natürlich auch mit Whiskey! Ja, was denn sonst! Wenigstens mit dem amerikanischen, aber längst kann und will ich mir dies in jedweder Form ebenso mit allen anderen Whiskys bzw. Whiskeys dieser Erde vorstellen. Und damit: Hoch das Tassen! Auf den Sommer! Auf den Genuss! Auf die Liebe! Und hinfort mit allen dummen Vorurteilen.

Mein Anliegen: Eine Lanze für den US-Whiskey brechen

Genau das ist mein Anliegen. Eine Lanze zu brechen für den US-Whiskeys. Denn er ist viel besser als sein Ruf, viel vielfältiger als viele meinen, zudem ein idealer Partner des Sommers, weil er selbst aus Regionen stammt, in denen sogar der April schon mit brütender Hitze aufwartet. Und außerdem gibt es so herausragende Qualitäten von ihm, dass es eine Schande wäre, wenn man diese als Genießer nicht auf dem Schirm hätte. So jedenfalls mein Votum! In der deutschen Whiskywelt herrscht indes eine andere Sichtweise vor. Die wahren Liebhaber und ergo Retter des „Uisge beatha“, des Wasser des Lebens im Gälischen, lassen nichts auf den schottischen Whisky kommen. Wenn Sie in die Schule dieser Nerds gehen wollen, dann rate ich Ihnen dringend zu diesen Attitüden: Rümpfen Sie schroff die Nase, wenn jemand auch nur im Ansatz versucht zu behaupten, ein Whisky bzw. Whiskey könnte ein guter sein, der nicht ein Single Malt ist und nicht von ihren abgöttisch verehrten Bravehearts stammt. Senken Sie betroffen, aber höchst verächtlich Ihren Blick, wenn jemand in Ihrer Nähe auch nur auf den Gedanken kommen möchte, seinen Whisky mit Eis zu genießen. Geschweige denn als Cocktail. Hängen Sie diese Barbaren am besten sofort auf im Geiste. Und ob ich Ihnen dann noch so ohne Weiteres eine Urlaubsreise ans Mittelmeer empfehlen dürfte, sei auch einmal dahingestellt. Sie sollten eher Flanell und Karomuster tragen, dass man Sie zu jeder Zeit in den schottischen Highlands aussetzen könnte…

Denken wir uns den amerikanischen Whiskey als einen fernen Verwandten

Wenn Sie allerdings ein echter Gentlemen sein mögen (oder aber eine wahre Lady), dann zeigen Sie sich bitte, wenn es nach mir geht, von anderer Statur und Lebensart. Dann ist Ihnen jeder Whisky, der gut gemacht wurde, eine Entdeckungsreise aus dem Glas heraus, egal wie man ihn genießt. Denn auch in guten Cocktails kann der Whisky bzw. Whiskey einen großartigen Zauber entfalten, weil er in dieser professionellen Liaison mit anderen Aromen und Akzenten seine ganze Kraft und Reife hineinlegt. Ein „Sazerac“, gut gemacht, ist immer eine solche Gaumen- und Sinnenreise, ebenso ein „Boulevadier“ oder ein „Whiskey Sour“, nicht zu reden von einem „Mint Julep“ oder „Old Fashioned“, um nur mal ein paar Beispiele dafür zu nennen. Und sie beleben auch noch! Doch auch den Puristen unter Ihnen, die sich lieber auf die ureigene Qualität ihres auserwählten Tropfens im Glas konzentrieren wollen, mag ich gern etwas mit an die Hand geben, dass sich mir bei meiner US-Tour eingebrannt hat: Denken wir uns dafür den amerikanischen Whiskey zunächst als einen fernen Verwandten, von dem wir faktisch nicht viel wissen, der uns aber noch ganz viel erzählen kann. Denn darin liegt das ureigene Vermögen des Whiskys, egal wie man ihn nun schreibt, aus was er gemacht oder wie er hergestellt wurde. Dank seiner Herkunft, Machart, Reifung und jeweiligen Philosophie ist er immer von höchst erzählerischer Art und Natur. So wie man sagt, dass im Wein der Geist der Wahrheit liegt, so schlummert nahezu im jeden guten Whisky eine endlose Prosa…

Zwei Stunden reden wir, mit nur einem bestimmten US-Whiskey im Glas

Und nun male man sich diese Szene aus. Nach einem langen Tag des Reden, Zeigen und Austauschen lädt mich Fred Noe, Jim Beams aktueller Master Distiller und Sohn seines so ruhmreichen Vorgängers Booker Noe ins Gästehaus der Brennerei ein, hoch im Wald gelegen, oberhalb der Brennerei, mit Blick auf einen See und mit einer ausladenden Veranda, auf der – wie sollte es auch anders sein – typische Schaukelstühle auf uns warten. Dort setzen wir uns hin und genießen zusammen den „Booker’s“, die erste Small Batch Abfüllung eines Bourbons in Fassstärke aus dem Hause Beam, der einst nur als ein Weihnachtsgeschenk für gute Kunden von Booker Noe gedacht war, inzwischen aber ohne Frage zu den besten Tropfen des US Whiskeys gehört. Zwei Stunden geht dann noch unser Reden, nur mit diesem einen Whiskey im Glas. Ich hänge Ihnen gern ein Bild von dieser Situation an.

Und so sollte man auch in meinen Augen versuchen, den amerikanischen Whiskey zu verstehen. Als ein Verandagetränk, entspannt im Schaukelstuhl, und von der unglaublichen Weite und Vielfalt eines großen Landes verzaubert. Die Rede vom Feuerwasser dagegen – im Saloon rüde in zu vollen Gläsern über den Tresen geschubst – ist nur eine nette, aber dürftige Pointe aus simplen Western-Filmen. Braucht kein Mensch!

1 Kommentar

  1. Nils Chrometzka

    Bei uns sagt man mit einem gewissen Maß an Bauernschläue- “ Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht“ . Ja ich kenne die Vorurteile gegen Eis im Whisky und ja ich bin schuldig im Sinne der Anklage. Es gehört zu meinen schönsten Urlaubserinnerungen in der Toskana mit meinen damaligen Motorradfreunden , abends eine Flasche Whisky aus dem Eisfach des Kühlschranks zu nehmen und in seliger Zufriedenheit (bei gefühlten 40°C Außentemperatur) in die Landschaft zu glotzen und mit sich und der Welt im Reinen zu sein.
    Dies war lange vor der Zeit bevor ich mich als Whiskyliebhaber „geoutet“ habe und angefangen habe mein Umfeld zu missionieren was Den wahre Whisky angeht. Zum einen weiß ich das selbst nicht , aber auf der anderen Seite finde ich die Spielarten des amerikanischen Whiskeys selten so beeindruckend das ich in Begeisterungsstürme ausbreche. Was ich wohl für mich als Fazit übrig bleibt , was für mich richtig oder falsch ist muss nicht zwingend richtig oder Falsch sein sein. In diesem Sinne , macht doch was Ihr wollt !!!

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