Die Whisky Kolumne, Nr. 3

Whisky in the morning time …

Heute möchte ich gerne mit einer Anekdote beginnen. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: mit einem Bonmot. Die Dinge lassen sich nicht immer so einfach trennen. Wahr ist nur, dass ich diese Begebenheit lediglich nacherzähle. Dabei war ich nicht. Aber das geflügelte Wort meines Kollegen und Vorgängers als Chefredakteur des Genussmagazins „Der Whisky-Botschafter“, das derart überliefert ist, wird heute noch oft und gern zitiert.

Whisky in the morning time…
Man denke sich so eine – sagen wir es frei heraus – durchaus zechfreudige Pressereise gestandener Whiskyautoren aus Deutschland ins geheiligte Mutterland der Single Malt Whiskys, male sich dazu deren leicht verkaterten Beginn eines weiteren Besuchstages vor Augen aus, und mit etwas Fantasie (oder entsprechend gesättigten, weil leider schlechten Erfahrung) stelle man sich dann noch eine wenig ansprechende Schale voll mit warmer Milch und eingeweichten Haferflocken vor, die den an herzhaftem Brot, Ei, Schinken und möglichst vorher eine filterlose Kippe für die Lunge gewöhnten Genussschreibern am Morgen vorgesetzt wird, und erahne derart diesen mit 1.000 Seufzern angereicherten Ausspruch meines geschätzten Kollegen, der aus tiefstem Herzen, aber mit deutlich versoffener Stimme aus ihm heraussprudelte: „A whisky in the morning time is better than Haferschleim…“. Natürlich hatte er sofort alle Lacher auf seiner Seite, jedenfalls derer, die der deutschen Sprache mächtig waren. Und bis heute schmunzle ich immer wieder neu, wenn ich mir seine spontane Eingebung mal wieder auf der Zunge zergehen lasse. Sie hat was, oder?

… is better than Haferschleim

Aber warum erzähle ich das? Sicherlich auch um des Schmunzelns willen. Aber es hat für mich noch eine andere Bedeutung. Denn so sehr ich auch Whisky liebe, freiwillig würde ich morgens nicht einen Tropfen runterkriegen. Nein, so weit geht meine Liebe oder Sucht dann doch nicht. Aber ich denke immer wieder an den Satz, wenn ich schon morgens Freude darüber verspüre, über diese einzigartige Liebhaberei zu sinnieren oder zu schreiben. Und so ein Morgen ist just heute. Ich bin mit der Sonne aufgestanden, habe mich bereits von ihrem goldenen Blinzeln verzaubern lassen und weiß ganz genau, dass ich nun sicher keinen Haferschleim esse. Aber ich mag gern über Whisky nachdenken. Denn mich umtosen schon länger zwei Fragen. 1. Was macht eigentlich einen Whisky zu einem guten Whisky? Gibt es dafür klare Merkmale? Oder benennbare Kriterien? Wäre doch schön, wenn man dafür – gerade auch Beginnern in der Materie – die eine oder andere Hilfestellung geben könnte. Und nach wie vor bewegt mich diese Einzigartigkeit, die man dem Whisky als König der Spirituosen zuschreibt. Ist das tatsächlich so? Und wenn ja: Woher kommt das? Wie erklärt sich dieses Phänomen einer ganz besonderen Passion? Jupp! Über genau so etwas denke ich bereits morgens um Sieben auf meiner Dachterrasse nach. Und meine Welt ist wirklich noch in Ordnung. Ich mag vielleicht einen Spleen haben, aber sonst ist alles OK soweit. Das können Sie mir glauben. Bitte!

What makes whisky a good whisky?

Ich habe mal einen anderen namhaften Kollegen meiner Zunft, der als Juror bei vielen internationalen Spirituosenverkostungen tätig ist, die erste Frage vorgelegt und ihn auf mögliche, eventuell auch nur ganz persönliche Kriterien hin abgeklopft. Er hat meine Überlegungen schnöde für untauglich erklärt. Das Urteilen über Genuss sei zu subjektiv und zu sehr vom Erfahrungsschatz des Einzelnen abhängig. Passable Antwort! Ohne Frage. Aber sie wehren jede Form von Nachvollziehbarkeit oder Transparenz ab. Und das stört mich. Denn ich mag es nicht, dass nur Experten darüber entscheiden, was ein guter, weil von ihnen „ausgezeichneter“ Whisky ist. Es braucht allerdings sicher viel eigene Beobachtung, wenn man darauf selbst seine Antworten finden will. Denn ohne Frage ist unser Wahrnehmen und Empfinden immer subjektiv. Gerade beim Genuss. Bei genauerer Betrachtung aber lässt sich doch Wiederkehrendes entdecken. Und zu dieser Lust zum Entdecken mag ich Sie gerne einladen. Denn am Ende sind alle Whiskys hochkonzentrierte, weil destillierte Tropfen, in denen sich ihre ureigene Magie von Aromen entfaltet, die alle schon im Gerstenkorn angelegt sind – es sollen rund 800 verschiedene sein –, und die über das Mälzen (Süße, Rauch und mehr) und Einmaischen ihre weitere Verstärkung oder Veränderung erfahren und schließlich durch das teils jahrzehntelange Reifen in verschiedenen Hölzern oder Fässern ihre faszinierende Vollendung finden. Da alles ist nicht nur erlebbar. Das lässt sich auch in viel schöne Worte kleiden und miteinander teilen. Wir reden da von der Verdichtung und Konzentration der Aromen (Kriterium 1), ihrer Fülle und Verwobenheit (Kriterium 2), aber nicht zuletzt über all das, was uns derart mitnimmt, beflügelt oder sogar heillos betört (Kriterium 3), so dass wir gar nicht anders können, als uns schon auf den nächsten guten Whisky zu freuen (Kriterium 4). Man kann es also ganz salopp ausdrücken: Gute Whiskys wollen, dass man mit ihnen redet (Kriterium 5). Und dann vor allem auch, dass man über sie spricht (Kriterium 6). So einfach kann das sein, Kollege!

Der Zauber der ersten Annäherung …

Dieses hier nur kurz angerissene Phänomen des bewussten, indes höchst genussreichen Verkostens ist indes nur eine Seite der Magie, die der Whiskyliebhaberei innewohnt. Einer der ganz Großen unserer Zunft, der Master Blender „The Nose“ Richard Patterson, umschreibt diese erste Annäherung an einen Whisky gern mit einem Flirt. Wieder und wieder geht man sachte mit der Nase zum Glas, schnuppert daran wie am Geruch einer Frau, und beginnt so ein erstes, vorsichtiges, herantastendes, aber längst verführerisches Gespräch à la „Hello“, „How are you?“, „Nice to meet you …“ und so weiter und so fort. Es könnte der Beginn einer unvergesslichen Liebschaft werden. Ach, herrlich…

… und „The Excellence of Whisky“

Tja, und das ist es, was mich am Ende an dieser Passion im Ganzen so fasziniert. Wie bei einer Liebe hebt es uns nicht nur für den Moment des Genusses aus dem Alltag heraus. Er hängt uns mehr und länger und stärker nach. Es lässt uns nicht gleichgültig. Im Gegenteil! Whisky erfahren wir auf kaum zu erklärende Weise als etwas, dem wir uns fast ehrerbietig mit Haut und Haaren und allen Sinnen und Kräften verschreiben mögen. Und unversehens dreht sich alles um diese großartige Welt des „Liquid Sunshine“. Es entstehen eigene Whiskyzimmer. Man kauft immer mehr Bücher. Die passenden Möbel müssen her, etc. Ah, richtig. Freunde! Wie sieht‘s denn nun mit dem Chesterfield aus meiner ersten Kolumne aus? Schon bestellt? Tja, und selbstredend geht der nächste Urlaub (mal wieder) ins gelobte Land. Ja, was denn sonst!? Ich nenne dieses Phänomen „The Excellence of Whisky“. Es soll übrigens ebenso dazu führen, dass man schon am Morgen über etwas sinniert, das man sich erst am Abend frühestens einschenkt. Ja, das hat doch längst was von einer Geliebten, auf die man sich lange vor ihrem Erscheinen freut. Oder?

Aber so ist das mit diesen komischen geflügelten Worten. Auf was man nicht alles dadurch kommt…

Mehr von unserem Kolumnisten Heinfried Tacke finden Sie auf
www.whiskyguide-deutschland.de

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